Mein CFS

Mein Leben mit leichten ME/CFS - meine Erfahrungen und Wege zur Besserung

Ich versuche mal zu erklären, wie ich mich jetzt gerade mit meinem CFS fühle und wie es mir ergeht. Ich erzähle, wie das Chronische Fatigue-Syndrom bei mir angefangen hat, welche Symptome ich habe, und auch, wie es sich über die Jahre zum Besseren entwickelt hat. So, vergiss dabei nicht, dass ich mildes CFS habe. Das heisst, richtig spannend oder dramatisch wird meine Erzählung nicht werden! Aber wer weiß, vielleicht findest du dich trotzdem in den folgenden Details wieder. Also, los geht’s.

Die Bedeutung von Pacing im Alltag

Mein Alltag wird seit 2017 von einem Prinzip durchgehend bestimmt: Pacing. 

Morgens stehe ich normalerweise vor 6:00 Uhr auf und gehe vom zweiten Stock ins Erdgeschoss. Dabei überlege ich genau, was ich alles mitnehme – Klamotten, leere Trinkgläser oder Ähnliches –, damit ich nicht unnötig die Treppe wieder hochgehen muss.

 

In der Küche mache ich mich langsam daran, die Spülmaschine auszuräumen oder die Arbeitsfläche aufzuräumen. Abends bin ich oft zu müde dafür, deshalb erledige ich es morgens, wenn ich etwas mehr Energie habe. Gleichzeitig bereite ich mir eine Kleinigkeit zu essen zu, da ich den Tag über lieber kleine Mahlzeiten esse, statt drei große. Worauf ich auch schwöre, seit 2018, ist mein Vitamin C shot morgens. Das war viele Jahre lang ein frisch gepresster Granatapfelsaft, der wurde letztes Jahr durch einen Wildheidelbeerenaufguss ersetzt. Hauptsache frisch, knallrot und antioxidant. Ich bin überzeugt, der tut mir gut.

 

Egal, was ich tue, ich mache alles in langsamen und bewussten Bewegungen, um meine Energie zu schonen. Besonders bei körperlich anstrengenden Tätigkeiten, wie unsere 5-Liter-Wasserflaschen zu heben, achte ich darauf, meinen Körper möglichst wenig zu belasten.

Körperliche Veränderungen respektieren

Ich hatte damals am Anfang des CFS schon einen sehr bewussten Umgang mit meinem Körper um ihn möglichst zu schonen und mache auch jetzt noch gedrungene Bewegungen wenn ich schwere Sachen hebe. Dabei halte ich die Gliedmaßen nah am Körper und lasse die Kraft aus meinem Körperkern kommen, um meine Gelenke zu entlasten. 

 

Denn ich habe das Gefühl, dass sie seit dem Beginn meines CFS anfälliger geworden sind beziehungsweise sich schwächer anfühlen (weiter unten beschreibe ich meine „Gummi“-Gelenke) Und ich weiß aus Erfahrung, dass eine Überbelastung der Muskeln oder Gelenke zu einen Crash (PEM) führen kann, und dass es lange dauern kann, bis es dem angeschlagenen Körperteil besser geht.

Mein Umgang mit Energieeinschränkungen

Multitasking ist für mich nur bedingt möglich. Ich erledige Dinge Schritt für Schritt, und so wenig wie möglich parallel, weil mein Gehirn, und mein Körper, sonst schnell überfordert sind. Das führt dazu, dass einfache Aufgaben, ich sage jetzt mal als Beispiel, das Einstellen eines Artikels bei eBay manchmal Tage oder Wochen in Anspruch nehmen.

 

Mein leichter Drang nach Perfektionismus bei Texten und Fotos lässt es mir nicht zu, im Hauruck Artikel einzustellen. Aber genau solche Aufgaben fordern eine mentale Leistung, die mir durch das CFS und den Brain Fog schwerfällt - klicke diesen Link zu meinem Beitrag „Was genau ist ME/CFS?“.

Bewusste Ernährung

Vor ungefähr anderthalb Jahren habe ich all meine Energie auf Ernährung konzentriert. Ich habe die makrobiotische Küche - naja, teils - ausprobiert und war begeistert – doch als ich begann, mich wieder mehr mit der Jobsuche oder meinem Blog zu beschäftigen, wurde es mental so anstrengend, dass ich das experimentelle Kochen aufgab. Ich musste mich für einen der drei Bereiche entscheiden, und ich wollte dem neuen Verlangen nach einem Job nachgehen. Naja, diese Jobsuch-Phase wurden zu Phasen, sie gestalteten sich holprig, denn es kam immer wieder etwas dazwischen, wie zum Beispiel eine Erkältung oder meine plötzliche Muskelatrophie, das meine Gesundheit wieder einen Schritt nach hinten versetzte.

 

Mein Ziel ist es, irgendwann wieder gesunde Gerichte zu kochen und einen Blog zu führen. Oder in Teilzeit zu arbeiten und einen Blog zu führen. Natürlich iiiiirgendwann alle drei Dinge zu tun 🙂 Doch heutzutage selbst der Gedanke an eine neue Gewohnheit fühlt sich an wie das Wenden der Titanic. Die mentale Energie und die zusätzliche physikalische Belastung überfordern mich.

Die Entwicklung meiner Symptome seit 2017

Im Frühjahr 2017 erlebte ich einen Crash. Die Erschöpfung war deutlich abzugrenzen von dem Burnout, den ich monatelang zuvor erlebt hatte. Wegen dem Burnout war ich im September 2016 sechs Wochen lang in Reha gewesen. Ich hatte ein paar Jahre lang mit PTBS, Anxiety und Überanstrengung zu tun gehabt, arbeitete Vollzeit als Grafik-Designerin, Mama, Ehefrau. Darüber hinaus, wie ich viel später herausfand, war ich laut Alex Howard, ME/CFS-Spezialist, Gründer des Optimum Health Clinics und Ausleger der fünf CFS-Persönlichkeitstypen, ein energieverlierender Helfer, Friedenshüter und Leistungstyp (klicke auf diesen Link für „Buch-Tipp: Dein Weg aus der Erschöpfung“).

 

Ich kam von der Reha zurück nach Hause mit dem Gefühl, ich hätte eigentlich noch eine weitere Woche Regeneration gebrauchen können und schwörte meinen damals kleinen Kindern, ich würde jetzt auf lange Sicht zuerst mal Zuhause bleiben und mich um sie kümmern. 

Wurde mein CFS durch ein Infekt verursacht?

Die kommenden Monaten erholte ich mich weiter, und dann weiß ich auch nicht so genau was passierte. Ich hatte einen grippalen Infekt, aber ob das der Tropfen war, der das Faß zum Überlaufen brachte, kann ich jetzt im Nachhinein nicht sagen.  Ich weiß nur dass ich Januar oder Februar 2017 sowas von entsetzlich müde wurde, wie ich es noch nie erlebt hatte. Eine bleierne Müdigkeit fühlte ich in meinen Inneren, und in meinem Denken. Zur gleichen Zeit erlebten meine Glieder eine noch nie bekannte Steifigkeit. Ein langes Sitzen und Liegen waren damals keine Option, da sie mich im ganzen Körper, vor allem in den Beinen, ungewohnterweise steif machten. 

Mein CFS hat eine Komorbidität

Als die CFS-Symptome begannen, wollte ich mich nicht hinsetzen oder hinlegen, wie ich es später von vielen anderen Betroffenen hören würde. Stattdessen begann ich intuitiv, mich langsam durch die Hausarbeit zu bewegen. Die Erschöpfung war damals größer als jetzt, aber anders gewichtet. Sie war zwar so überwältigend, dass ich alles in Zeitlupe tat, - aber sitzen, liegen oder einfach einschlafen war keine Option, weil es mich damals noch viel schlechter fühlen ließ.

 

Mein Körper knirschte förmlich wenn ich kurz gesessen hatte, meine Gelenke fühlten sich an, als würden sie einfrieren, und ich quälte mich aus meiner Sitzposition, um mich wie ein halb zusammengefalteter, steifer Karton zu bewegen. Mein Bauchgefühl sagte mir, dass dies ein gefährliches Symptom war, das ich so gut wie möglich vermeiden musste, und dass ich die ganze Zeit in Bewegung bleiben sollte. Ich stellte fest, dass das Liegen noch das Sitzen mich viel erfrischte oder viel besser oder munterer machte, also war es nicht schwer, es zu vermeiden. Ich bewegte mich einfach den ganzen Tag in Schneckenpace.

Bewegungen im Schneckentempo

Damals bin ich, um die Treppen zu vermeiden, fast nur im Erdgeschoss geblieben, außer wenn ich ins Bett ging. Ich brachte meine Zahnbürste nach unten und stellte sie in den Spiegelschrank im Gästeklo, mit der Zeit brachte ich fast alle meine Pflegeartikel nach unten.

 

Jeden Morgen kam ich also langsam die Treppe runter, räumte die Spülmaschine aus, und das war mein Training. Das war meine Art, Sport zu treiben, fit zu bleiben. Denn die kleinen Bewegungen, die ich machte – sehr, sehr langsame Bewegungen, leichtes Bücken, leichtes Dehnen um nach Etwas zu greifen – waren das, was meine Erschöpfung über die Zeit auf dem gleichen Niveau hielt oder sehr allmählich auf ein besseres Niveau brachte. Das war also mein Pacing damals: In Bewegung bleiben, aber nur kleine Bewegungen, langsame Bewegungen.

 

Jede kleine Überanstrengung verschlechterte meinen Zustand, das heisst, es resultierte eine PEM, also der Crash der erfolgt, wenn man sein gesundes Maß an Aktivität überschreitet. Ich entwickelte ein Gefühl dafür, wie viel ich meinem Körper zumuten konnte.

 

Mein Tag bestand darin, morgens die Spülmaschine auszuräumen, den Kindern beim Frühstücken zu unterstützen, dann meistens im Gästeklo meine Zähne zu putzen, eine Katzenwäsche machen und mich anzuziehen. An manchen Tagen  machte ich im Keller die Wäsche, oder ging um die Ecke zum Supermarkt, Nachmittags bereitete ich den Kindern nach der Schule Snacks zu, half ihnen bei den Hausaufgaben und abends kochte ich. Über den Tag räumte ich ohne Hast die Küche auf oder erledigte Papierkram wenn es unbedingt nötig war. Nur das absolut Notwendige und nichts anderes. Drei-, viermal am Tag saß ich kurz um zu essen oder Tee zu trinken und zu verschnaufen und dann gings weiter. Abends ging ich um 10 Uhr ins Bett.

Mentale Erschöpfung und Konzentrationsprobleme

Das war alles okay (okay im Sinne von: es war anstrengend und ich erledigte die Aufgaben auf Sparflamme und in Schneckentempo, aber es war machbar und meine Intuition sagte, dies ist der richtige Weg), — aber Papierkram war ein Albtraum. 

 

Ich konnte mich nicht konzentrieren, ich konnte mich nicht erinnern, was ich gerade gedacht hatte, ich überprüfte lange Zahlen immer wieder, um sicherzustellen, dass ich sie richtig aufgeschrieben hatte. Mein Grundrechnen dauerte zu lange, Formulare auszufüllen oder nach Informationen oder Dokumenten zu suchen, war eine riesige Anstrengung, weil ich sofort vergaß, was ich suchte.

 

Ich versuchte verzweifelt, mein Gehirn zu entwirren, um mich an ein Wort von vor wenigen Sekunden zu erinnern, und ich vergaß es immer wieder. Das ständige Sitzen bei Schreibtischarbeiten war eine zusätzliche Schwierigkeit und machte mich schnell müder. Selbst einfacher Papierkram dauerte nicht nur Stunden, sondern Tage, wenn es um ältere Belege sammeln ging sogar Wochen.

 

Meine Gedanken drifteten ständig ab, mein Kurzzeitgedächtnis war frustrierend schlecht und ich hatte Wortfindungsstörungen. Bis heute macht es mir diese mentale Fatigue sehr schwer, Ärzten meine Situation zu erklären. Nicht dass ich vielen Ärzten meine Situation erklärte.

Brain Fog

Teil meines Nebels im Kopf war, dass ich mir nicht wirklich einen Überblick mehr machen konnte über Dinge, zum Beispiel über mein eigenes zu Hause und wo sich Objekte aufhalten könnten. Wenn ich versuchte, mir bildlich vorzustellen, wo irgendwas sein konnte oder wie ein Zimmer sogar aufgeteilt war, dann verschwand einfach dieser Gedanke in meinem Kopf, der wurde einfach schwammig.

 

Und ich konnte nicht danach greifen, das Bild wurde nicht klar. Es war mehr als frustrierend, vor allem weil ich meistens vergessen hatte wo ich irgendwas gelassen oder verstaut hatte. Es war auch ermüdend immer wieder nach Sachen zu suchen, oder auch über ihr Verbleiben zu grübeln.

 

Das ist mittlerweile etwas besser geworden aber immer noch nicht normal. 

Schlafprobleme bei ME/CFS

Mein nicht-erholsamer Schlaf

Nachts schlief ich schnell ein und schlief wie ein Stein, ich schlief durch und träumte nie, und ich wachte mit morgendlicher Steifigkeit auf. Irgendwann begann ich auch, mit einer verstopften Nase aufzuwachen (nichts auf dem Röntgenbild zu finden) und oft mit leichten Kopfschmerzen, besonders nachdem ich auf dem Rücken gelegen hatte.

 

Und die Müdigkeit ging nicht weg, trotz des scheinbar so erholsamen Schlafs. Da mein Schlaf gleichzeitig tief und traumlos war, stand ich morgens mit dem störenden Gefühl auf, dass die Nacht sehr kurz gewesen war. Es gab kein Gefühl für das Vergehen der Zeit in der Nacht, das man sonst normal wahrnimmt durch zB das Umdrehen im Bett oder meinen Ehemann neben mich hören.

 

Ich spürte nicht das gewohnte langsame Hineingleiten in den Schlaf oder allmähliche Erwachen aus dem Tiefschlaf. Es war, als ob ich sofort in einen tiefen Schlaf fiel und kurz danach am Morgen wieder aufwachte, ohne diese Übergangsphasen zwischen Wachsein und Schlafen zu erleben. Obwohl ich dankbar war, jede Nacht zu schlafen, hatte ich nie das Gefühl, mein krankes Gefühl überwunden zu haben oder dass mein Körper oder Gehirn sich erholt oder frisch und munter geworden waren. Im Gegenteil, ich fühlte mich morgens groggy und fast genauso müde wie am Abend zuvor.

 

Änderungen in meinem Schlafverhalten habe ich erst 2024 festgestellt. Der Schlaf fühlt sich jetzt etwas normaler an, er erscheint nicht mehr so abnormal kurz und tief, ich spüre etwas Hineingleiten in den Schlaf und ein wenig mehr das allmähliche Zusichkommen morgens. Die Morgensteifigkeit hat sich auch etwas gelegt.

Schwankungen in der Fatigue

In den ersten Wochen nach dem Beginn meines CFS fragte ich mich nicht allzuoft, was mit mir los war. Für mich war klar: ich musste einfach auf mich aufpassen und die Erschöpfung und Steifigkeit würden sich schon in ein paar Wochen richten. 

Manchmal fühlte es sich auch so an, als wäre ich besser geworden, aber als ich dann doch nach Monaten merkte, dass ich immer wieder zurück in diese schlimme Erschöpfung verfiel, machte ich dann einen Termin aus bei meinem Hausarzt. 

Meine CFS-Symptome im Internet

Es dauerte noch Wochen bis zu meinem Termin und ich fing an, im Internet nach meinen Symptomen zu wühlen. Irgendwann stieß ich auf eine Website, die die Symptome von ME/CFS beschrieb. Die Crashes, also das PEM, der Brain Fog und die seltsame Müdigkeit, die so anders war als Burn-out, harte Arbeit oder schlaflose Nächte – oder Depression!

 

Es war, als würde jemand über mich, Alice, schreiben. Alles, was ich las, passte perfekt, - und ich zeigte dabei nicht einmal ansatzweise die schwerwiegeneden Symptome, die die hartbetroffenen Patienten durchmachten!

 

Ich war fasziniert und las immer mehr, ich hatte noch nie von der Krankheit ME/CFS gehört und spürte den Horror für die Schwerbetroffenen und deren Angehörigen. Ich war für mich zuversichtlich, dass ich deren Greuel nicht erleben würde, aber ich war entsetzt über die Ernsthaftigkeit ihrer Situation und wie sie von, ich denke, der Mehrheit der Fachpersonen in der Medizin nicht wahrgenommen wurde.

 

Aber zurück zu meiner Erzählung: Es würde noch über ein halbes Jahr dauern, bis ich zu meinem Hausarzt gehen würde, denn in der Zwischenzeit passierte etwas in meiner Familie. Ich kann darüber hier nicht berichten, denn ich möchte die Privatsphäre meiner Familie respektieren, aber es genügt zu sagen, dass meine Symptome nach einem halben, oder so ziemlich einen ganzen Jahr gleich geblieben waren.

Bei Selbstdiagnose ist geholfen

Zwischendurch las ich im Internet über ME/CFS und fand Formulare und Richtlinien, die mir halfen, mich selber in das Spektrum der Krankheit einzuordnen. Irgendwann entdeckte ich die Bell-Skala, eine Skala für die Einstufung der Behinderung bei ME/CFS. Sie wurde 1995 von Dr. David Bell spezifisch für ME/CFS entwickelt (klicke auf diesem Link für die Bell-Skala als pdf1) Ich war glücklich, denn mein Empfinden, dass die Krankheit sich auf einem Spektrum befindet, wurde für mich bestätigt. 

1) Charité Fatigue Centrum - https://cfc.charite.de

 

Allerdings finde ich es nach wie vor nicht leicht, mich in der Skala einzuordnen, so wie ich lese geht es allen Betroffenen so:

 

Als mein CFS anfing, also ich meine damit in der Zeit von 2017 bis 2018 würde ich sagen: vom Aktivitätsniveau her lag ich bei Grad 30, das entspricht einem Aktivitätsniveau von 50%. Aber generell gesehen, und vor allem wenn ich mich mit den Beschreibungen von anderen Betroffenen verglich, lag ich meines Erachtens bei zirka Grad 60 (ein Grad von 100 belegen null Symptome, also einen gesunden, besser gesagt, normalen Zustand).

Ich folgte meinem Instinkt

Abgesehen von den hilfreichen Informationen auf privaten Websites und in Filmen und Büchern, die ich nach und nach entdeckte, verliess ich mich auf mein eigenes Bauchgefühl, was mein Angehen meiner Besserung betraf: Ich hatte damals in 2017 ein Bauchgefühl, dass ich mich pacen muss, um Crashes zu vermeiden (und das war, bevor ich wusste, was Pacing war!), um nicht ernsthaft erschöpft oder krank zu werden, letztlich, um sehr, sehr langsam besser zu werden. 

 

Ich ahnte, dass es lange dauern würde — Wochen, wenn nicht sogar Monate - aber ich hatte das Gefühl, dass es möglich war, wenn ich auf mich achtete.  

 

Was ich nie damals gedacht hatte, ist dass die Monaten zu Jahren werden würden.

Diagnose

Ich vermute, ich habe CFS

Irgendwann in 2018, zum Ende des Jahres glaube ich, ging ich endlich zu meinem Hausarzt und erzählte ihm von meinen Symptomen und dass ich glaubte, dass ich CFS hätte. Er meinte damals so ungefähr, das müsste zuerst mal begutachtet werden und gab mir die Kontaktdaten von einem Psychiater und von einem Psychosomatiker. Tage vor dem ersten Termin begann ich eine Auflistung meiner Symptome niederzuschreiben, denn ich wusste, wenn ich vor dem Arzt sitze, würde ich vergessen, wovon ich erzählen wollte. Zu meinen Symptomen schrieb ich, es fühlt sich so an, als wäre ich vergiftet… eine Beschreibung, die ich später bei anderen Betroffenen auch von lesen oder hören würde.

 

Schon beim Lesen meiner Liste rutschte mir das Herz in die Hose – und schon nach zwei Minuten in den jeweiligen Sprechzimmern der zwei Fachärzte, die mich beide ungläubig beäugten während ich meine Symptome beschrieb. Ich weiss nicht mehr, ob ich meinen Text als Stütze nutzte, ich mache mir zwar für Arzttermine immer Stichpunkte, aber es ist mir meistens zu peinlich, sie zu nutzen.

CFS - alles Psyche?

Zu guter Letzt schrieben die zwei Fachärzte Diagnosen, die auf meiner Vorgeschichte und stressige familäre Situationen beruhten, und damit ließ ich die Sache im Sande verlaufen. Ich hatte keine Energie, um zu versuchen, Ärzte von etwas zu überzeugen, worüber sie nicht mal studiert hatten. Ich wusste auch aus eigener Erfahrung, dass es auch für mich unmöglich wäre jemanden mit CFS zu verstehen, wenn ich es nicht selber gehabt hätte. Vielleicht hätte ich technisch oder medizinisch PEM verstehen können, aber wie es sich anfühlt, eine PEM zu erleben, oder permanent von einer halb- oder viertelvollen „Batterie“  angetrieben zu sein, die sich nie auffüllt, oder wie beeinträchtigend Brain Fog ist – nie im Leben hätte ich diese Sachen nachempfinden können. Und dann meine Vorbefunde, das PTBS, die Anxiety, mein Burn-Out… als Psychiater ohne CFS-Kenntnisse hätte ich wahrscheinlich auch einfach eins und eins zusammengezählt und alle meine Symptome in einem Topf geschmissen.

 

Mittlerweile habe ich die Diagnose CFS von meinem Hausarzt bekommen, und ich bin sehr dankbar für die Bestätigung. Ich wurde übrigens nicht getestet, um andere Krankheiten auszuschliessen. Ich glaube ich bin seit über zwanzig Jahren sein Patient und er kennt meine jahrelange Vorgeschichte, in der er mir Jahre lang die Diagnose psycho-vegetative Erschöpfung gab. Er riet mir nochmals, mich beim Psychosomatiker begutachten zu lassen, und ich hatte das auch vor, aber ich wurde im Endeffekt so frustriert von meinem Versuch, alle Symptome und Ereignisse der letzten Jahren aufzulisten in der Hoffnung, den Begutachter aufhorchen zu lassen, dass ich es dann doch sein ließ. Mir reicht es, dass mein Hausarzt mir Glauben schenkt. Ob und in welcher Weise er an CFS glaubt - das hat er mir nicht verraten.

Das CFS-Leitsympton PEM

PEM - Post Exertional Malaise

Die PEMs, oder auch Crashes genannt, die ich erlebe, sind auf sehr niedrigen Niveau in Vergleich zu denen, die andere mit schwererem CFS erleben. In den Anfängen waren sie glaube ich nicht unbedingt öfter, aber schwerer. Vor einigen Jahren brauchte ich zum Beispiel drei Wochen um mich von einen einwöchigen Besuch meiner Verwandten oder Freunde, die von weit her kommen, zu erholen. In der ersten Woche lag ich tatsächlich ab und zu auf der Couch und döste vor mich hin oder schlief ein. Wie immer wollte ich so schnell wie möglich wieder in meine Schneckentempo-Fitnessroutine zurück und musste dort quasi wieder hyper-langsam von vorne anfangen, um auf meine „Baseline“ zurück zu kommen (die Baseline ist das individuelle Aktivitätsniveau, auf der man sich nicht überanstrengt, auf der man bleiben sollte, um eine PEM zu vermeiden).

Mein Crash-Ablauf

Also, die Erholung von einem Crash läuft ungefähr so bei mir ab: Die ersten Tage mal öfters auf der Couch liegen und gegebenfalls schlafen, dann vorsichtges Machen und Tun im Haus bzw raus ums Eck zum Supermarkt, zur Post und mit Emmi Gassi gehen mit mehreren Sitzpausen während des Tages auf der Couch (muss wohl mein Lieblingserholungsort sein ☺), dann immer mehr Tun in häuslicher Umgebung und die Pausen werden weniger. 

 

An guten Tagen sitze ich kurz zwei oder drei mal am Tag um Tee zu trinken oder eine Kleinigkeit zu essen. Ansonsten beschäftige ich mich fortlaufend mit irgendwas ohne mich zu hetzen und sollte eigentlich mich nicht mit mehr als zwei Dingen parallel befassen. Was im normalen Leben glaube ich selten vorkommt und ich denke das ist ein Grund weshalb es lange dauert, gesünder zu werden. Ein anderer Grund ist, dass man auch während eines Crashes von irgendetwas überanstrengt wird und die Crashphase verschlimmert oder verlängert sich. Hohum.

Die PEMs werden kürzer

Irgendwann die letzten Jahre brauchte ich dann nur eine Woche um mich von Besuch zu erholen, dann drei Tage, heutzutage brauche ich ein oder zwei Tage. Am ersten Tag kann man mich beim Liegen auf der Couch erwischen, danach suche ich meine Baseline wieder in langsamen Haushaltstätigkeiten.

 

Kleine Sachen, damals wie jetzt, verursachen bei mir PEM. Zum Beispiel mit der Straßenbahn in die Großstadt fahren und dort zwei bis zweieinhalb Stunden shoppen gehen, ich bin jetzt danach sehr müde und tue nichts bis ich Abends koche und dann gehe ich früher als sonst ins Bett. Vor drei Jahren war ich so erschöpft, ich habe mich auf die Couch gelegt, habe geschlafen und habe nicht gekocht. Am nächsten Tag fühlte ich mich noch gerädert. Und die Jahren davor habe ich es einfach vermieden, in die Stadt zu fahren.

Es gibt viele Auslöser

Mentale oder psyschiche Aufregung kann bei mir PEM auslösen. Das kann mich auf der Stelle erschöpfen, manchmal ist es nach einer Stunde gegeben, und manchmal brauche ich zirka zwei bis drei Tage um mich davon zu erholen. Warum das so unterschiedlich ist kann ich nicht feststellen.

 

Es fällt mir jetzt noch schwer, Besuch zum Essen oder zum Kaffeetrinken einzuladen. In den anfänglichen Jahren war ich blaß und erschöpft, nachdem der Besuch weg war, und das zog sich in den nächsten Tag hinein. Unnötiges wurde links liegen gelassen, ich spürte ein dringendes Bedürfnis nach Erholung. Heutzutage ist es immer noch meistens so, dass der Gedanke daran, andere mit in eine Mahlzeit oder ein Kaffeekränzchen einzuplanen mich mit dem Gefühl der Überforderung füllt. 

 

Zuletzt hatte ich das Geburtstag einer meiner Kinder geplant, es sollte wie immer ein Motto geben. Ich war Feuer und Flamme, sowas kreatives mache ich gerne und ich war in einer recht energischen Phase wo ich das Gefühl hatte, das mein CFS bald ein Ende haben würde. Ich plante, bestellte, zeichnete, gestaltete und bastelte, voll in meinem Element. Fürs Gestalten musste ich einiges meiner Zeit vorm Computer verbringen, und ich spürte schon, das dies doch ermüdend wurde, aber ich ignorierte die Warnzeichen.

 

Das ging ein paar Tage gut, dann kam der kleine Crash. Am nächsten Morgen schleppte ich mich in die Küche um den Kids mit dem Frühstück zu helfen und verkroch mich dann wieder ins Bett. Die kommenden paar Tage machte ich wieder nur das Nötigste im Haus, um dann kurz vor knapp doch noch alles für die Geburtstagsparty hinzukriegen. Was ich dann schade finde, ist das ich bei sowas Nicht-Alltägliches immer froh bin, wenns vorbei ist. Weil ich weiss ich habe dann wieder etwas Luft um mich zu erholen.

Sonne kann auch PEM auslösen

Nach einem halben Tag Regale ausräumen oder Putzen fühle ich mich am nächsten Tag völlig ausgelaugt. Wenn ich über 30 Minuten, oder über 20 Minuten, oder sogar über 10 Minuten, je nach Phase in der ich bin, Wäsche sortiere, oder aufhänge oder in die Maschine tue, das kann mich von einer Minute auf die andere so müde machen. 

Die heisse Sonne kann mich ermüden. Das kommt aber auch auf einer Schwelle in meiner lahmen Genesung an: Ab einer gewissen Besserung meiner Baseline empfinde ich etwas Sonne als förderlich in meinem weiteren Gesundungsprozess. Unter dieser Schwelle spüre ich instinktiv wie die Sonne zu vermeiden ist, ja allein schon wie zu große Wärme mich müde macht und kränkelnder. Dies habe ich dann rigoros vermieden, daher habe ich was Sonne angeht keine PEM-Erfahrungen.

Meine „dehnbaren“ Bänder

Was längere PEMs angeht, also wenn sie länger als drei Tage oder so sind, machen sie nicht nur mehr Fatigue sondern weisen ein sonderbares Gefühl bei mir von „dehnbaren“ Gelenken, oder Bändern. Es ist schwer zu beschreiben, aber es ist so als wären alle meine Gelenke, auch die ganz kleinen in Zehen und Fingern, zu flexibel geworden. Ich meine das nicht im Sinne von, ein Gelenk fühlt sich locker an wenn ich es anpacke oder ziehe; sie sind so fest wie immer. Das Gefühl kommt vom Inneren der Gelenke, also ich denke es sind eher die Bänder, und tatsächlich lassen sie sich zu leicht überdehnen!

 

Alleine vom Gang ums Eck zum Supermarkt ließ manchmal einen Muskel im Fußballen ziehen, oder den nackten Fuß ganz leicht anstoßen verursachte einmal einen verstauchten Zeh. Schnelles aufs Sofa aufstützen hat von Zeit zur Zeit einen Muskel im Handgelenk überdehnen lassen.

 

Ich weise insgesamt eine ungeschickte Art auf in meinen Bewegungen, ein bisschen so, als würde ich das Gleichgewicht ein wenig verlieren, das Gefühl, dass ich vielleicht stolpern könnte, wenn ich nicht mit Bedacht um die Ecke gehe, mit Vorsicht die Treppe runter gehe.

 

Also ich verlangsame mich nicht nur, um der Fatigue entgegenzuwirken. Ich verlangsame mich auch, um lästiger Ungeschicklichkeit vorzubeugen. Wenn ich etwas zu schnell, hektisch oder in Eile tue, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass ich beim Treppensteigen stolpere oder irgendwo anstoße. Ich möchte mich nicht verletzen, denn das würde die Fatigue nur verschlimmern, und das vermeide ich um jeden Preis.

Mein „großer“ Crash

Im Januar 2024 erlebte ich dann einen großen Crash. Ich war eigentlich auf so einem guten Niveau mit meinem CFS, dass ich angefangen hatte, im Internet nach Teilzeitarbeit zu suchen. Zur gleichen Zeit veröffentlichte ich in meinem frischgebackenen Blog eine Nackendehnungsaktion. Am vierten Tag der Aktion machte ich eine 5-minütige Dehnung und verursachte eine kleine Muskelzerrung (zumindest, so fühlte es sich an) im Nackenbereich und brauchte alleine drei Wochen um mich von der bleiernen Müdigkeit, die sich im ganzen Körper und gefühlt im Gehirn (damit meine ich, der Brain Fog wird schlimmer) ausbreitete, zu erholen. Ich lag am Anfang öfters kurz auf der Couch, fühlte mich ausgelaugt und habe manchmal vor mich hingedöst. Meine täglichen Gassigänge hielten sich zeitlich im Rahmen, Dinge die nicht zwingend sofort erledigt werden mussten schob ich auf die lange Bank. 

Lieber keine Physio

Wie immer kehrte ich langsam in meine häuslichen Aktivitäten zurück und auf meine Baseline wieder. Meine Baseline hatte sich deutlich erhöht seit den CFS-Anfängen in 2017, und obwohl ich verwundert war über diese unerwartete PEM - vor allem hätte ich nicht gedacht das sowas kleines, physisches wie eine minimale Zerrung eine PEM auslösen könnte - war ich nach wie vor immer wieder positiv drauf und glaubte nach wie vor an das weitere Bergaufgehen und die ultimative Überwindung vom CFS.

 

Ich hätte natürlich übrigens zur Physiotherapie gehen können, aber in solchen Situationen wäge ich immer ab, was im Endeffekt mehr Energieraub verursacht — mich auf dem Weg in die entfernte Praxis machen (ich fahre kein Auto), in einem Warteraum für ungeahnte Zeit sitzen, an einer Stelle geknetet zu werden, das vielleicht noch mehr PEM verursachen könnte, der Rückweg…oder Zuhause bleiben und die Natur ihren Lauf nehmen lassen. Auf jeden Fall, ich entschied mich gegen den zusätzlichen Aufwand.

Auf meine alte Baseline zurück - alles gut, oder?

Also, drei Wochen nach der Muskelzerrung fühlte ich zufrieden wie ich auf meine altes Niveau gelangte. Ich war natürlich vorsichtig, dass ich meine Nackenpartie nicht überlastete, auch die kommende Woche. Trotz der Vorsicht spürte ich aber nach einer Woche, genau da wo die Zerrung gewesen war, plötzlich einen stechenden Schmerz, ganz kurz. Und dann nochmal, und immer wieder über den Tag verteilt. 

 

Eine bleierne Müdigkeit übermannte mich wieder, noch schlimmer als die Wochen zuvor. Drei Tage lang ging ich nicht mit Emmi raus. Ich schlief die ersten Wochen oft auf der Couch ein, tief und fest. Manchmal zehn Minuten, manchmal eine Stunde. Manchmal saß ich auf der Couch mit einer Tasse Tee in der Hand und schlief darüber ein, oder über ein Dokument, das ich gerade durchlas.

 

Meine Beine fühlten sich sehr wackelig an beim Gehen, als wären die Beinmuskeln entkräftet und die Bänder in den Gelenken wie Gummi geworden. Als ich wieder mit Emmi Gassi ging, waren die Spaziergänge sehr kurz. Als ich mich wieder an längere Spaziergänge ran traute, wie zum Beispiel für 40 oder 50 Minuten, brauchte ich zwei bis drei Verschnaufpausen und setzte mich auf eine Bank.

 

Solche Symptome mit den Beinen hatte ich noch nie erlebt und sie gefielen mir nicht.

Bluttest

Ich ging zu meinem Hausarzt und erzählte ihm von meinen Symptomen. Dazu erzählte ich ihm von anderen Symptomen, die mich letztens beunruhigten, und zwar hatte ich bemerkt, dass ich seit ungefähr einem Jahr empfindlich auf Zucker reagierte. Allerdings hatte ich leichte Gefühle von Schwindel oder flauem Empfinden im Magen sehr lange Zeit garnicht mit meinem Zuckerkonsum in Verbindung gebracht, oder überhaupt mit dem Essen in Verbindung gebracht, sonst wäre ich eher damit beim Arzt gewesen. Jetzt endlich waren die Zusammenhänge zwischen den zwei Symptomen und das konsumieren von Keksen, Zucker, Kuchen, Brot und sogar Milch für mich ganz klar geworden. Nicht dass ich auch noch Diabetiker werde on top vom CFS haben? Oder dass dies mit den wackeligen Beinen zu tun hatte?

 

Aber mein Bluttest erwies sich als negativ. Mein Arzt meinte, jemand der zwanzig Jahre jünger als ich bin wäre stolz auf mein perfektes Blutbild. Irgendwie schön, dass ich angeblich so super gesund war, und zur gleichen Zeit völlig irritierend. Zu meinen Symptomen von zugenommener Erschöpfung und wackeligen Beinen war er der Meinung, dass ich mir sicherlich ein Virus eingefangen hatte und mit Zeit und Ruhe würde dies alles vorbei gehen. Ich kann mich leider nicht mehr erinnern, ob ich ihm von meinem Verdacht der Muskelzerrung erzählt hatte.

 

Aber egal was die Ursache war, es hatte bei meinem CFS ganz schön reingegrätscht. Ich brauchte für die PEM insgesamt sechs Wochen, um mich zu erholen, genauer gesagt, um wieder auf meine Baseline zurückzukehren.

Deprimierend

Während der sechs Wochen war ich nicht immer so positiv drauf. Ich spürte Depressionen und Verzweifelung. Diese hatte ich schon mal spüren müssen, als ich Jahre zuvor, in einer Zeit wo es uns finanziell nicht so gut ging, über mehrere Tage lang versuchte einen Haushaltsplan aufzustellen, unsere Einkommen und Ausgaben in einer Excel-Tabelle aufzulisten. Sowas hätte ich vor dem CFS an einem Nachmittag hinbekommen. Mir kamen damals verzweifelt die Tränen und ich empfand zum ersten Mal eine Depression über meine Lage, in der ich geraten war, wie schlimm es meinem nebligen Kopf erging, als müsste ich jeden Gedanken aus einen Morast ziehen, so zäh waren sie, so langsam, dass ich immer wieder den Faden verlor.

 

Aber zurück zum mittlerweile März 2024. Meine sechswöchige PEM war endgültig vorbei und die depressive Verstimmung vergessen. Ich konnte wieder an meiner Baseline arbeiten. Ausser typischen Schwankungen, die an kleineren Crashes hier und da lagen, gings monatelang bei mir weiterhin langsam bergauf. Ich gewann langsam an Energie und hatte das Gefühl, dass mein CFS bald eine Sache der Vergangenheit sein würde.

Ein Infekt - und noch ein Crash

Bis ich Anfang Oktober eine ungewöhnliche Erkältung bekam, die mich wirklich zweifeln liess. Aber darüber in einem anderen Beitrag – klicke auf diesen Link um über meine merkwürdige Erkältung zu lesen. Also, normale Erkältungen hatten bis jetzt keine negativen Auswirkungen auf meine Fatigue gehabt, GsD. Aber jetzt wo ich gerade diese Zeile schreibe komme ich just aus einer zweiten merwürdigen Erkältung raus, die meine CFS-Erholung schon wieder zurückhält. Zum Piepen.

Brain Fog - Nebel im Gehirn bei ME/CFS

Brett vorm Kopf

Also, das CFS kann logisches Denken ganz schön beeinträchtigen …wie in diesem Beispiel, einen Blogbeitrag schreiben. Mir fällt es schwer, mir den chronologischen Aufbau des Textes vorzustellen und es kostet sehr viel Energie, mich darauf zu konzentrieren.

 

Oder überhaupt ein Konzept planen, wie ich den Blog aufbauen könnte, oder ausbauen könnte, zum Beispiel durchs Monetarisieren, durch Audios hinzufügen, durch ChatGPT einbinden, durch verlinkte YouTube-Videos, durch Merchandising. Als Grafikdesignerin war es Teil meines Berufs, konzeptionell denken zu können, und heutzutage fällt es mir sehr schwer, die Gesamtheit eines Plans zu erfassen oder zu sehen oder im Kopf zu behalten. Gedanken kommen und gehen wie Nebelschwaden, was das Planen und Umsetzen von Aufgaben extrem erschwert.

Gedächtnisstörungen

Mein Kurz- und Langzeitgedächtnis sind stark beeinträchtigt. Ich vergesse oft, was ich gerade tun wollte, was gestern war oder kämpfe darum, mich an Dinge zu erinnern aus der Vergangenheit, die eigentlich fest verankert sein sollten. Stressige familiäre Phasen, die noch auf mein CFS oben drauf kamen, wiesen plötzlich große Löcher auf in meiner Erinnerung und Geschehnisse oder besondere Anlässe wie im Urlaub oder mit Freunden, bei Feiern oder mit den Kindern sind wie ausgelöscht.

Wecker und Listen helfen

Die Vergesslichkeit ist nervenaufreibend. Ich habe etliche Wecker (die jetzt mit der Zeit etwas weniger geworden sind) und hunderte von Listen, egal ob auf Papier oder im Handy. Wecker sind tolle Hilfsmittel für Menschen mit CFS, aber: Ich kann meine verflixten Wecker wirklich nicht mehr hören! Manchmal will ich einfach mein Handy durchs Fenster schmeißen. Natürlich stresst dieses Geräusch, aber zu versuchen, mich an die Sachen von selbst zu erinnern, die ich erledigen soll, ist ebenfalls sehr anstrengend. Es ist mehr als frustrierend, wenn ich irgendwas vergesse. Das kann mich ganz schön runterziehen. Da lasse ich mich sogar lieber von meinen Weckern nerven, bis ich schreien will. Meine Familie wurde auch von den etlichen Klingeltönen tagsüber irgendwann gereizt. Ich musste mir immer wieder neue Töne aussuchen haha. Klicke auf diesen Link um über weitere Life-Hacks für CFS zu lesen.

 

In meine Notizen-App schreibe ich mir mittlerweile so viele Sachen auf, denn was ich in den letzten Tagen erledigt habe, ist schnell vergessen. Wenn ich nicht notiere, welches Online-Formular ich gerade mal erst halbwegs fertig ausgefüllt habe, oder bei welchem Unternehmen ich mich gerade registriert habe, oder wie meine neuen Zugangsdaten lauten oder welches Abo ich gerade bestellt habe aber eigentlich nicht behalten möchte, bin ich wie ein kopfloses Huhn und bin dann auch in leichter Panik wenn mir siedendheiß aber nebulös einfällt, da war ich doch letzte Woche irgendwas am machen? Wie oft habe ich unnötiges Geld verschwendet weil ich vergaß, ein Abo zu stornieren. Überhaupt, schon beim ersten Gedanken etwas Wichtiges zu notieren sollte ich es umsetzen, denn der Gedanke ist auch schnell weg und taucht meistens auch nicht mehr auf. 

Besser, aber noch nicht gut

Wo meine Energie und meine Steifigkeit sich mit den Jahren verbesserte, sind andere belastende Symptome hinzugekommen:

 

  • ab und zu Herzklopfen, besonders beim Hinlegen.
  • Muskelkrämpfe und Zuckungen, vor allem in den Waden
  • Muskelschwäche und Muskelabbau, besonders an den Oberschenkeln
  • Muskelkatergefühle in Beinen, Armen und sogar im unteren Rücken oder den Rippen
  • Unverträglichkeiten von Zucker, Mehlprodukte und Milch
  • zunehmende Wetterfühligkeit

 

Ich muss allerdings dazu erklären, dass meine Familie und ich die letzten Jahre viel Stress erlebt haben, und vielleicht daher die o.g. Symptome dazu gekommen sind – aber das macht mich dann stolz, dass ich trotzdem auf mich aufgepasst habe und mein CFS, wenn auch sehr langsam, verbessert habe. Was ich mich frage ist, ob ich jetzt überhaupt noch CFS hätte wenn die belastenden Situationen nicht noch dazu gekommem wären? Ich weiss es nicht.

 

Ob die oberen Symptome etwas mit dem CFS zu tun haben oder nicht, weiß ich nicht. Aber ich lese oder höre, dass manch anderer CFSler auch von solchen Krankheitszeichen betroffen sind. Nur der Muskelabbau macht mich stutzig, denn das kam bei mir relativ plötzlich und kann nicht an Bettlägrigkeit liegen! Ich schau mal ob ich das selber wieder in den Griff bekomme, ansonsten müsste ich doch zum Arzt.

Geduld und Disziplin

Die Jahre des bewussten Umgangs mit meiner Energie bei meinem CFS haben dazu geführt, dass ich heute mehr leisten kann als damals in 2017, 2018. Mein CFS ist besser, meine Steifigkeit auch.

 

Es gab sogar in den sieben Jahren Momente, in denen ich dachte: „Wow, das CFS ist bald vorbei!“ Diese Phasen sind selten gewesen, vielleicht drei-, viermal. Aber sie zeigen mir, dass mein Körper in der Lage ist, sich zu erholen – auch wenn es viel Geduld und Disziplin erfordert.

 

Wenn ich zum Beispiel tägliches Schminken einplane, dann weiß ich, dass ich wirklich in einer sehr guten Phase bin! Oder wenn ich problemlos die Treppe hochhusche und dabei energisch eine Etage pro Tag putze (mit Teepausen zwischendurch, versteht sich), dann wow! Dann habe ich das Gefühl, dass ich langsam zum Ende dieser Krankheit komme! (😄😄 naja, die paar Phasen dauerten nicht mal ein, zwei Wochen an).

 

Aber zusammenfassend muss ich sagen, ich bin zufrieden mit meiner langsamen aber stetigen Verbesserung von meinem CFS. Natürlich stresst es mich manchmal ungemein. Glücklicherweise hatte ich nicht allzuoft das Gefühl, meinen Kindern wegen meiner Fatigue nicht helfen zu können. Aber es ist trotzdem sehr frustrierend wenn man mehr erledigt bekommen möchte.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0