Nach über einem Jahr aufs Rad!
Ich bin gerade mit dem Fahrrad zum Einkaufen gefahren – das ist der Hammer! Ich bin bestimmt seit über einem Jahr nicht mehr auf meinem Fahrrad gewesen. Damals bin ich meistens gefahren, um entweder zu einem Termin zu kommen (wovon ich aber sowieso nur sehr wenige hatte) oder zum Supermarkt. Ich war immer so stolz darauf, als Nicht-Autofahrerin unabhängig zu sein und mein Fahrrad zu nutzen.

Warum ich so lange nicht gefahren bin
Post-Exertional Malaise
Jedenfalls hatte ich damals einen Crash. Nicht wegen des Fahrradfahrens, aber welcher genau es war, weiß ich auch nicht mehr. Auf jeden Fall merkte ich danach, dass ich nicht die Kraft hatte, wieder aufs Rad zu steigen. Es ging nicht nur ums Fahren selbst oder um den Einkauf, sondern schon darum, das Rad überhaupt aus dem Schuppen zu holen. Meistens hing es an einem Haken, und allein das Herunterheben war unglaublich anstrengend. Ich hatte weder die muskuläre noch die nervliche Kraft dafür mit der PEM, der Extraportion Fatigue … also stand mein Fahrrad sehr, sehr lange im Schuppen. So lange, dass ich mich wirklich nicht mehr erinnern kann, wann ich es zuletzt benutzt habe – es kann gut über ein Jahr her sein.
Die Angst vor dem ersten Versuch
In den letzten Wochen habe ich immer mal wieder überlegt, ob es eine gute Idee wäre, wieder aufs Fahrrad zu steigen. Und obwohl ich natürlich meine Fatigue respektierte, die mittlerweile besser geworden ist, merkte ich, dass da auch eine gewisse Angst mitspielte.
Dann habe ich diese Angst ein bisschen analysiert und festgestellt, dass ich eigentlich Angst davor hatte, dass ich es vielleicht gar nicht schaffe – sei es, das Fahrrad aus dem Schuppen zu holen oder damit zu fahren. Ich hatte Angst davor, diese Erfahrung zu machen, dass ich fürs Fahradfahren zu unsicher bin, oder dadurch wieder zu merken, dass ich immer noch auf einem bestimmten Fatigue-Level feststecke. Und genau diese Angst hat mich dann auch oft davon abgehalten, es überhaupt zu versuchen.
Ein Plan in kleinen Schritten
Aber in den letzten Wochen habe ich das mit einer guten Bekannten besprochen und ihr von meinen Sorgen erzählt. Sie meinte, vielleicht sollte ich erstmal nur mein Fahrrad anschauen – ohne Druck, ohne gleich damit zu fahren. Vielleicht könnte ich meine Kinder bitten, mir zu helfen, es in den Hof zu stellen. Und wenn ich irgendwann bereit wäre, könnte ich ja einfach mal ganz entspannt eine kleine Runde um den Block drehen – ohne Ziel, ohne Stress, einfach nur um zu sehen, wie es sich anfühlt.
Pacing und Radfahren
Das klang nach einem guten Plan - quasi Pacing vorm Fahrradfahren 😄 Also habe ich eines Tages mit Hilfe eines meiner Kinder das Fahrrad aus dem Schuppen geholt. Ich habe es mir erstmal genau angesehen und war direkt erleichtert, als ich sah, dass die Reifen noch voll mit Luft waren – da war ich wirklich dankbar. Dann habe ich es abgewischt, und eines meiner Kinder meinte, ich könnte doch eine Plane drüberlegen, damit es im Hof trocken bleibt und jederzeit bereitsteht.
Die Entscheidung
Das war vor ein paar Tagen. Und heute … tadaaa! 🥳 Vorgestern hatte ich plötzlich das Gefühl: Komm, du wirst nicht nur um den Block fahren. Wenn du ganz langsam fährst, schaffst du es bis zum Supermarkt. Und zwar nicht nur zu dem Laden um die Ecke, sondern zu einem größeren Supermarkt, der anderthalb Kilometer weit weg ist - der Supermarkt, wo ich vor langer Zeit mit dem Rad einkaufen ging.
Nichts überstürzen
Also habe ich mich bereit gemacht, die richtigen Taschen eingepackt und meine Einkaufsliste so sortiert, dass ich wirklich nur für drei Tage einkaufe. Ich wollte es nicht übertreiben und mich nicht überfordern.
Langsamkeit ist das A und O
Dann bin ich langsam und vorsichtig losgeradelt. Unsere Nachbarschaft ist zwar nicht hügelig, aber es gibt einige leichte Steigungen – und die habe ich direkt gespürt. Es hat nicht lange gedauert, da merkte ich schon, dass das eine ordentliche Sporteinheit für meine Beine war. Aber zum Glück hat mein Fahrrad gute Gänge, und die habe ich auch genutzt.
Und dann – ich bin tatsächlich heil beim Supermarkt angekommen! Sogar die Sonne kam raus.
Ein kleiner Schreckmoment im Laden
Mitten im Einkauf fiel mir plötzlich ein, dass ich das Fahrrad gar nicht abgeschlossen hatte. Also schnell raus aus dem Laden, das Rad gesichert und wieder rein. Danach war ich etwas durch den Wind, und es fiel mir schwer, im Supermarkt konzentriert zu bleiben. Aber ich habe mir bewusst gesagt: Schau dir deine Liste in Ruhe an. Geh alles Schritt für Schritt durch. Überprüfe jedes Lebensmittel, ob es wirklich im Einkaufswagen ist. So konnte ich mich selbst davor bewahren, in eine Art Panikmodus zu rutschen.
Rückweg gut, alles gut
Der Rückweg war auch kein Problem. Der Einkauf war zwar schwer, und das Rad dadurch etwas wackelig, aber ich bin alles ruhig angegangen. Zu Hause angekommen, merkte ich sofort, dass ich Gummibeine hatte. Aber es war nicht so schlimm, dass ich nicht noch die gekühlten Sachen auspacken konnte. Danach habe ich sogar mit Emmi eine ganz langsame, gemütliche Runde im Park gedreht.
Ich bin einfach mega stolz auf mich. So glücklich, dass ich das geschafft habe.
Langsamkeit heilt
Eine tolle Doku über die Langsamkeit
Ich muss mich ab und zu daran erinnern, dass es völlig okay ist, langsam zu sein – langsam zu denken, langsam zu handeln. Zum Glück habe ich vor ein paar Tagen auf YouTube eine Arte-Dokumentation über die Langsamkeit gesehen – klicke hier für den Link dazu. Sie hat mich daran erinnert, wie schön es eigentlich ist, sich Zeit zu lassen – und dass ich früher, vor vielen Jahren, selbst ein langsamer Mensch war. Nicht umsonst hatte ich die Spitznamen Faultier und Schnecke.
So wie ich lese und höre, haben einige Menschen mit Chronischem Fatigue-Syndrom Probleme mit dem Langsam Werden – wir wollen alles langsam angehen um zu genesen, aber haben es schwer, dies umzusetzen. Wir haben uns zu sehr daran gewöhnt, uns unter Druck zu setzen; schneller zu sein, besser zu sein, perfekter zu sein 😕.
Die Kraft der Entschleunigung
Aber zurück zu der Doku: Denn während ich diese Sendung geschaut habe, wurde mir plötzlich bewusst, dass ich in einen Zustand geraten war, den ich seit bestimmt zwanzig Jahren nicht mehr erlebt habe. Mein Gehirn schaltete in einen ganz langsamen Modus. Ich habe mich sogar langsamer bewegt.
Ich habe gekocht, während ich die Sendung gesehen habe, und anstatt wie sonst eine Stunde oder anderthalb Stunden zu brauchen, hat es diesmal zwei Stunden gedauert, bis wir gegessen haben. Einfach, weil ich entschleunigt war. Ich war zwar ein bisschen überrascht, als ich auf die Uhr guckte,… Aber es war ein schönes Gefühl – es tat mir richtig gut.
Ich würde mir wünschen, dass ich öfter in diesen Zustand komme. Es fühlt sich heilsam an.
Die unerwartete Symbolik meiner neuen Pantoffeln
OMG, die Pantoffeln, die ich mir gerade im Supermarkt gekauft habe! Also, ich habe ja die ganze Zeit gesehen, dass da eine Abbildung – so eine Strichzeichnung von einem kleinen Fahrrad – auf den blauen Stoffpantoffeln ist. Aber erst jetzt, nach meiner Runde im Park mit Emmi, wo ich wieder Zuhause bin, merke ich, wie symbolisch das zu meinen ersten kleinen Fahrradausflug passt. Im Supermarkt ist mir diese Verbindung gar nicht aufgefallen. Oh je, mein Kopf, ey! 🫠😃
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